Zwei Sätze zu unserem Lebensstil sind mir bis heute in Erinnerung geblieben. Sätze, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
- „Bei euch sieht das immer so einfach aus!“ und
- „Ihr macht euch das aber auch immer so unnötig schwer!“
Was stimmt denn nun?
Genau genommen kann ich jeder Seite ein bisschen Recht geben – und muss doch vor allem verneinen. Aber von vorne.
Herr Kapitän, bitte Kurs auf’s Ziel!
Seitdem Dennis und ich zusammen sind (und das sind jetzt fast 11,5 Jahre) haben wir vieles miteinander erlebt und ausprobiert. Von Anfang an haben wir uns an keine „logischen“ Pläne gehalten. Das einzige, was vielleicht noch einigermaßen logisch klingt, war unser Zusammenziehen – auch wenn das für viele zu früh kam.
Danach war aber nichts mehr nach Plan. Würde man logisch weiterdenken, dann hätte ab dem Zeitpunkt irgendwann ein abgeschlossenes Studium kommen müssen. Eine Festanstellung. Bei Dennis wäre das gewesen: Weiterhin mit seinem Geschäftspartner zusammen arbeiten und ein Imperium aufbauen (-fieses Bösewicht-Gelächter). Dann Hochzeit, Haus, Hunde – was eben so kommt.
Stattdessen haben wir alles anders gemacht. Nach dem abgebrochenem Studium kam erst mal eine Ausbildung. Dennis wollte wieder mehr sein eigener Herr sein und arbeitete von zu Hause weiter.
Irgendwann kam der Punkt, an dem wir wieder mehr reisen wollten. Viel mehr. Dauerhaft unterwegs sein wäre toll. Andererseits: Man könnte ja auch mal ein Leben in einem Haus ausprobieren…
Ihr macht es euch aber auch schwer!
So viel zum Thema: Wir machen es uns unnötig schwer. Ja, in diesem Fall stimmt es, einerseits. Denn andererseits möchten wir beide diese Erfahrung nicht missen: Wir wissen nun ganz klar, dass ein Haus mit Garten in der Größenordnung, mit der Verantwortung, absolut nichts für uns ist.
Wir haben schlichtweg keine Lust, uns um fremdes Eigentum zu kümmern – vielleicht wäre es etwas anderes, wäre es unser Haus gewesen. Vielleicht wäre der Druck dann aber noch größer gewesen – das Wissen, das man nun für die nächsten X-Jahre auf und in diesem Haus sitzt, fühlt sich für mich nicht gerade befreiend an.
Ebenso könnte man den Satz auf die aktuelle Situation beziehen. Wir haben, obwohl wir gerade in BABA leben und arbeiten, immer noch eine kleine 1-Zimmer-Wohnung in Laboe. Ich bin längst an dem Punkt angekommen, diese auch aufzugeben, aber Dennis habe ich noch nicht zu 100% überzeugt.
Der Vorteil daran, keine Wohnung mehr zu haben? Man muss sich auf einen Schlag deutlich weniger Gedanken machen. Der Besitz, der verloren gehen könnte, wäre noch um einiges geringer. Die wichtigsten Dinge ließen sich einlagern. Und warum sollten wir eine Wohnung halten, an der wir nichts verdienen? In die wir Monat für Monat Geld stecken, die wir aber nicht nutzen? Nur für den Fall, dass wir schnell eine Unterkunft brauchen?
Grundsätzlich hätten wir sogar die Erlaubnis, die Wohnung unterzuvermieten. Aber im Notfall müssten wir ansprechbar, bzw. schnell vor Ort sein – und auch darauf habe ich keine Lust.
Bei euch sieht das immer so einfach aus!
Dieser Satz steht sozusagen auf der anderen Seite. Auch gerne in Variation, wie „Wenn man euch sieht, denkt man, das könnte jeder machen.“. Ja, warum eigentlich nicht?
Nach wie vor denke ich, dass man sich selbst Grenzen setzt und wenn man etwas wirklich möchte, es auch schafft. Trotzdem muss jeder selbst entscheiden, wie weit er bereit ist zu gehen – und ob man auch bereit ist, die Konsequenzen zu tragen.
Denn diese Entscheidung, dauerhaft auf Reisen zu gehen, ist von uns nicht leichtfertig gefällt. Wir haben über 2 Jahre gebraucht, unser Leben soweit zu organisieren, bis wir an diesem Punkt angekommen sind. Da steckt nicht nur Mut hinter, sondern vor allem Verzicht und eine gehörige Portion Masochismus.
Wenn ich mich daran zurück erinnere, wie ich vor einem Haufen Erinnerungsstücke saß und einfach nur weinte – weil ich wusste, das ich mich davon jetzt würde trennen müssen.
Wenn ich mich erinnere, welche Gewissensbisse ich hatte, als ich mir unseren Hund anschaute und mich fragte, ob das wirklich eine gute Idee ist.
Wenn ich mich erinnere, wie wir anfingen, den wichtigsten Menschen in unserem Leben von unseren Plänen zu erzählen – und die Reaktionen oft nicht die Gewünschte war.
Umso konkreter unsere Pläne wurden, desto mehr stritten Dennis und ich uns. Man sollte doch denken, dass alles irgendwie „fluppt“, wenn man einen gemeinsamen Plan hat – aber das ist nicht so. Wir hatten und haben beide durchaus sehr unterschiedliche Ansichten vom Leben an sich und vom unterwegs-sein. Unsere Stärke ist jedoch, dass wir uns immer einigen können – und, so würde ich das jedenfalls sagen, so, dass beide damit gut leben können.
Manche Dinge werden immer wieder auf’s Neue ausdiskutiert. Wie zum Beispiel, ob wir die Wohnung in Laboe wirklich noch brauchen.
Andere Dinge sind klar. Aber leicht – leicht ist es wirklich nicht. Der Weg bis hierhin war nicht einfach und ich würde es auch nur empfehlen, nachzumachen, wenn man es unbedingt möchte.
Du wirst Menschen begegnen, die dich nicht verstehen werden, die vielleicht sogar versuchen, dich zu sabotieren. Deine Beziehung könnte darunter leiden, dein Besitz wird auf jeden Fall schwinden. Wahrscheinlich sogar dein Geld, wenn du nicht gerade im Lotto gewonnen hast.
Vanlife vs. normales Leben
Ist es das wert? ABSOLUT. Es ist nach wie vor die beste Entscheidung, die wir treffen konnten. Jeder Tag ist ein kleines Abenteuer. Keines, bei dem über uns Konfetti fliegt und die Luftballon-Herzen schweben – aber das ist auch nicht die Art Abenteuer, die ich erleben wollen würde.
Bei uns gehen viele Dinge kaputt. Wir können längst nicht alles reparieren, weil wir schlichtweg zu dusselig dafür sind und mehr Angst davor haben, etwas noch mehr kaputt zu machen.
Die Arbeit regiert (leider). Wir machen uns immer noch viel zu sehr Gedanken um die Arbeit, um das Leben in Freiheit so richtig und zu 100% genießen zu können.
Wir setzen uns unter Druck. Unser neues Projekt YouTube verlangt uns einiges ab. Ich hatte bestimmt seit einer Woche nicht mehr meine DSLR in der Hand, was mich echt traurig macht.
Wir nehmen uns zu wenig Zeit für uns selbst. Ich hatte mir fest vorgenommen, auf dieser Reise wieder mehr „ich selbst“ zu werden. Weniger zu sein, wie andere mich gerne hätten und mehr so, wie ich nun einmal bin. Das erfordert aber, auch mal eigene Wege zu gehen und nicht immer als Paar unterwegs zu sein – und das fällt mir sehr schwer.
Gleichzeitig sind wir jeden Tag an einem anderen Ort und ich kann es immer kaum erwarten, dort alles zu erkunden. Wir haben in so vielen Seen gebadet. Hatten großartiges Wetter. Haben wunderschöne Tiere entdeckt (Rentiere) und den schönsten Ort Schwedens gesehen (Stekkenjokk-Plateau).
Wir haben die Einsamkeit genossen, das lange Wach-Bleiben. Sonnenuntergänge. Sonnenaufgänge. Kaffee am Morgen, Musik am Abend.
Manche Probleme, die uns begegnen, stören zwar kurz – aber wir lernen auch sehr gut, damit zu leben. Unser nicht richtig funktionierender Kühlschrank ist so ein Teil. Wir haben uns einfach daran gewöhnt und kaufen eben entsprechend ein.
Nein, ich möchte nicht tauschen, möchte nicht zurück in ein Leben in einer Wohnung. Aber einfach ist es nicht.
2 Kommentare
Würde ich meinen Job nicht so sehr lieben und den Komfort zu Hause nicht so genießen… ich wäre euch längst nachgereist… mit jedem Tag, den ihr auf Tour seid, wächst der Wunsch. Ja, so ist es und ich bin sicher… ich werde auch mal so eine Tour machen. Den kompletten Jahresurlaub auf einmal verballern und einfach genießen. Die Zeit mit Shiva genießen. Wer weiß, wie lange sie noch so abenteuerlustig ist? An eurem Beispiel sehe ich, wie schön das funktionieren kann und wie großartig das freie Leben ist.
Flauschige Grüße
Sandra & Shiva
Ich habe gerade deinen ehrlichen Artikel über das Leben und Arbeiten im BABA gelesen. Es ist wunderbar, und ihr seid ein großes Vorbild. Aber wahrscheinlich bin ich zu sehr Heimatverbunden und komme auch gerne „wieder nach Hause“ um diese Form des Lebens einzugehen. Umso mehr bewundere ich euch und bin ein bisschen neidisch auf dieses Leben in Freiheit. Wie ihr woll und ihr es euch gestaltet. Ohne Zwänge und Verpflichtungen.
Noch reichen mir 4 Wochen „Freiheit“ im Jahr… aber wer weiß was die zeit bringt.
Ich bin mir sicher, das du/ihr im Laufe der Reise mehr zu euch findet und ihr Ruhe und Gelassenheit bekommt. Arbeit ist wichtig- aber nicht alles.